Bürgerversammlung im "Ausland" 1964

Die 176 Köpfe zählende Gemeinde am Rand des Landkreises Gießen hat weder eine Gastwirtschaft noch sonst einen Raum, der für Versammlungszwecke geeignet wäre. Deshalb traf man sich am Dienstagabend (21. April 1964) zur Bürgerversammlung mit Landrat Dr. Maraun (zum ersten Mal besuchte ein Landrat die kleine Gemeinde) und Regierungsoberamtmann Bodenbender im benachbarten "Ausland", in der Lardenbacher Gastwirtschaft Felsing.

Nach der Begrüßung durch Bürgermeister Funk schilderte Landrat Dr. Maraun ausführlich die beim Ortsrundgang Anfang April vorgefundenen Verhältnisse.

Die drittkleinste Gemeinde des Kreises (nach Winnerod und Arnsburg) hat einige Besonderheiten aufzuweisen, einerseits bedingt durch die "Größe" anderseits durch ihre exponierte Stellung an der Seite der Gemeinde Lardenbachs. Mit der Klein-Eichen längst nicht soviel Gemeinsames hat, wie man gemeinhin annehmen möchte.

So steht in Klein-Eichen beispielsweise eine Filialkirche von Groß-Eichen. Geläutet wird bei sämtlichen Anlässen mit "allen Glocken", eben weil die Kirche nur eine hat. Der Bürgermeister ist zugleich Kirchendiener und der Ortsdiener eine Frau (Berta Funk). Seit 1911 haben Lardenbach und Klein-Eichen eine zentrale Wasserversorgung. Der 100 cbm fassende Hochbehälter wird demnächst für 4000 DM repariert werden müssen. Seine Kanalisation konnte Klein-Eichen 1962 abschließen. Es trat kürzlich dem Abwasserverband Seenbachtal bei.

1963 baute die Gemeinde ihre Straßen für 101.000 DM aus. Dazu kamen 560 Meter Feldwege 1958-59 mit Mitteln aus dem Grünen Plan und des Jagdpachterlöses. Es steht auf dem Gebiet aber noch einiges an. Nach dem zweiten Weltkrieg entstanden vier neue Häuser. Fünf neue Bauplätze in guter Lage stehen im Moment zur Verfügung. Möglichkeiten für größere Projekte bieten sich zwar an, sind aber wegen der verkehrsungünstigen Lage der Gemeinde für Baulustige nicht sehr interessant.

Die Lieblingsidee des Gemeinderates: "Ansiedlung eines Industriebetriebs" wird sich aus diesem Grund wohl nicht so schnell verwirklichen lassen. Wegen des Standortes einer Gemeinschafts-Gefrieranlage konnten sich die beiden "Tür-an-Tür-Gemeinden" nicht einigen, und so ging die Einrichtung einer eigenen Anlage mit 28 Fächern beinahe über die finanziellen Kräfte Klein-Eichens. Die zuständige Molkerei ist nicht etwa in Groß-Eichen, sondern in Weickartshain. Mit Lardenbach hat es eine Bezugs- und Absatzgenossenschaft und eine Schule gemeinsam, ansonsten ist es Mitglied des Schulverbandes Grünberg.

In der Diskussion schnitt Bürgermeister Erich Funk sofort das Thema "Raum für Gemeinschaftsveranstaltungen" an. Der Landrat schlug "ein Dorfgemeinschaftshäuschen" (große Heiterkeit!) vor, da sich ein Haus für 176 Einwohner (ein Drittel davon waren anwesend) sowieso verbiete. Das Häuschen könne evtl. mit einem Kinderspiel- und Kleinsportplatz kombiniert werden. Zur Zeit ist man auf der Suche nach einem geeigneten Platz dafür.

"Warum habt ihr das Kreiskrankenhaus nicht nach Grünberg gebaut, wo wir doch eine so schlechte Busverbindung nach Lich haben?" wollte ein Bürger wissen. Der Landrat legte noch einmal die schon bekannten Gründe für die Wahl von Lich dar.

Kummer macht den Klein-Eichenern und Lardenbacher, dass die Haltestelle der im Oktober 1963 neu geschaffenen Omnibuslinie Ulrichstein-Mücke-Weickartshain-Grünberg-Gießen ca. 1000 Meter von Lardenbach entfernt im Ortsteil Weickartshain-Seenbrücke ohne Unterstellmöglichkeit liegt. Auf der Kreuzung Seenbrücke-Lardenbach an der B 276 steht nämlich eine Wirtschaft, zudem noch mit einem Vordach zum Unterstellen. Sie wäre viel besser als Wartestelle geeignet.
Der Landrat empfahl eine Beschwerde bei der Bundesbahn mit möglichst vielen Unterschriften.

Ein weiterer Diskussionspunkt: Ob man der Gemeinde nicht durch den Ausbau eines Wochenendgebietes finanziell etwas auf die Beine helfen könnte? Die landschaftlich außerordentlich reizvolle Umgebung biete sich dazu an. Ein Vertreter des Gemeinderates schlug den Galgenberg in Richtung Sellnrod dafür vor. Das habe nur Sinn beschied der Landrat die Hoffnungsfreudigen, wenn es gelinge, wertloses Gelände teuer zu verkaufen.

Zu Beginn des Abends lief, wie nun in nächster Zeit bei ähnlichen Anlässen überall im Kreis der Farbfilm: Tagebuch des Landkreises.

(Grünberger Heimat Zeitung)

 
 
Klein-Eichen
 
 

 

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